Der Traum vom Anderssein. Ab 24.03.2017

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Als Max Müller kürzlich in einem Interview zu berichten wusste, dass das beliebteste Passwort der Deutschen „Hallo 123“ sei, und dass das auch ein guter Bandname wäre, meinte der Interviewer fassungslos: „Das Genie, das Mutter als Bandnamen erfand, findet Hallo 123 gelungen? Jetzt bin ich, ehrlich gesagt, ein bisschen enttäuscht.” Und Max Müller, der Konflikte stets zu vermeiden sucht, fühlte sich sogleich bemüßigt ihn zu beruhigen: “Musst nicht enttäuscht sein, mein Freund, ursprünglich wollten wir uns Butter nennen, aber alle haben immer nur Mutter verstanden.”
Diese Schnurre der Beiläufigkeit fasst die Bedeutung der Band Mutter seit jeher in der Deutschen Musiklandschaft sehr gut zusammen, die Missverständnisse, die Erwartungen, ja, die Hoffnung als Heilsbringer, aber was, wenn Mutter sich weigert, diese Erwartungen zu erfüllen? Reicht es denn nicht, dass sie einfach DA ist? Wollt ihr denn, dass Mutter im Schlamm versinkt, wollt ihr, dass sie wie eine Schnittblume in der Vase der Zeit verdorrt? Fragt nicht, was Mutter für euch tun kann, fragt euch doch mal, was ihr für Mutter tun könnt.
Was, wenn ihr eines Tages aufwacht, und Mutter gar nicht mehr existiert? Existiert ihr dann überhaupt noch? Vielleicht seid ihr ja gestorben, bevor ihr aufgewacht seid? Im Jenseits gibt’s keinen Anfang und kein Ende, keine Antworten, weil es keine Fragen gibt, Gott gibt die Nüsse, aber knacken müsst ihr sie selbst. Aber das gilt nur für uns hier unten, die wir heute Morgen aufgewacht sind, egal ob als Käfer oder mit einer Frage, die man nicht beantworten kann, auf den rissigen Lippen. Entlassen aus einem Traum vom Anderssein.
Können wir anders sein? Besteht diese Möglichkeit? Ja, sie besteht, aber es ist nicht eine Möglichkeit, es sind viele, sie stehen genau vor uns, wie Soldaten, nur sehen wir sie nicht, wir sehen im Grunde genommen keine einzige, aber das müssen wir auch nicht, denn sie sehen UNS.
So wie uns Mutter sieht, und uns statt Nüsse eine neue Platte gibt, sie heißt „Der Traum vom Anderssein“, und sie gibt uns, dir und mir, ALLES, und was geben wir dafür? Das Versprechen aufzuwachen, bevor es zu spät ist.
Tex Rubinowitz, Wien, 2017